Zweck der Kleinkamera ist es vor allem, bewegtes, wechselvolles, buntes Leben einzufangen. Die Art freilich, wie der Schütze sein Ziel angeht und welches Ziel er angeht, ist nicht lehrbar. Die Leistungen der Könner sind nur zur Hälfte fotografische. Sie liegen in der Persönlichkeit begründet. Das Technische kann man lernen. Nicht lernen kann man: Aufgeschlossenheit, Spürsinn, Talent. Nichts läuft von selbst in die Kamera, allem muß man nachlaufen, Dingen und Menschen.
Das nicht Lehrbare
Regie-Talent und persönlicher Charme sind oft wichtiger als die beste Kamera, der beste Film, die gründlichsten Kenntnisse, die Leistungen der wenigen großen Könner sind deshalb nicht ans Fotografische gebunden, sondern an die Persönlichkeit.
Spürsinn, Regie
Fotografieren und sogar sehr gut fotografieren können heute viele. Immer ist es der Mann, der "Kerl", das menschliche Format, das den Ausschlag gibt, immer ist es die Einheitlichkeit und Geschlossenheit der Leistung. Die großen Leistungen liegen bereits jenseits des Technischen, das dann eine Selbstverständlichkeit ist. Nie erreichbar sind sie dem, der nicht über Technik und über das Erlernbare wollen wir sprechen.

2. Großaufnahmen !
Nahaufnahmen, Großaufnahmen sind in der Kleinbild-Fotografie stets die dankbarsten und bildmäßig wirkungsvollsten.

3. Es gibt eine Menge Dinge, die von vornherein fotografisch undankbar oder sogar unmöglich sind.
Aussichtsloses
Fotografisch unglücklich sind Aufnahmen wie die folgenden:
Bilder, auf denen die Hauptsache weit im Hintergrunde liegt (die bekannte Aufnahme, die aus einer grauen Fläche besteht, quer durch die Mitte ein ausgefranster Strich: "Kopenhagen vom Schiff aus").
Aufnahmen, zu denen lediglich eine schöne Farbenharmonie den Anlaß gegeben hat. Sind sie nicht außerdem lebendig, ausgeglichen in der Komposition oder doch irgendwie im Sachlichen interessant, so bleibt von der ursprünglichen Farbenharmonie selbstverständlich nichts übrig.
Weniger ist mehr!
Aufnahmen, die "wimmelig", unruhig, überladen sind, kurz: auf denen einfach zuviel drauf ist. (Häufigster Anfängerfehler!)
Aufnahmen, die im wesentlichen aus Wiesen und Laubwerk bestehen. Grüntöne sind sehr monoton. Außerdem kommt Grün sowieso gern ziemlich schwarz (eben weil jedem vegetabilischen Grün viel Schwarz ist). Aufnahmen dieser Art sind nur dann aussichtsreich, wenn die Beleuchtung besonders interessant ist, also etwa im Gegenlicht.
Landschaften ohne Sonne und unter einem eintönig grauen Himmel. Es sei denn, die atmosphärische Stimmung wäre in anderer Weise wieder besonders interessant (Regen, Nebel usw.)

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4. Mit dem Wert und der Leistungsfähigkeit der Kleinkamera wächst auch ihre Kompliziertheit, wachsen mithin auch die möglichen Fehlerquellen.
Fehlerquellen ausschalten!
Es gilt also Methoden anzuwenden, die die Handhabung der Kleinkamera vereinfachen und damit die Fehlerquellen ausschalten. Das Schnappschuß-System auf S. 18 gibt hierüber genaue Anweisungen. Nach diesem System wird die Kamera gleichzeitig zum stets schußbereiten Repetiergewehr. Das ist nötig, da oft Bruchteile von Sekunden für die Aufnahme entscheidend sind. Am stärksten vereinfacht sich dieses System mit sehr kurzbrennweitigen Objektiven. Ideal in diesem Sinne sind die F = 3,5 cm-Objektive zur Leica bzw. zur Contax. Diese Objektive sind bei Einstellung auf 4 m und Blende 9 "Fixfocus"-Objektive, ihre Tiefenschärfe reicht dann von 2 m im Vordergrund bis Unendlich.

5. Die Anwendung eines vernünftigen fotografischen Schemas ist jedoch nicht identisch mit wildem Drauflosknipsen.
Sinnvoll verfahren
Gute Kleinbild - Schnappschüsse verlangen Übung, Geistesgegenwart und Geschmack. Man muß auch einmal auf eine Aufnahme verzichten können, wenn die primitivsten bildlichen Voraussetzungen (gute Beleuchtung, klare, ruhige Komposition) fehlen. Demgegenüber soll man jedoch nicht mit dem billigen Kleinkamerafilm geizen, wenn es gilt, aus einer ungewöhnlich dankbaren Szene in vierfünf Schnappschüsse das denkbar Beste herauszuholen.

6. Zum Thema Schnappschuß: man denke einmal an die beispielhaften Leica - Aufnahmen von Dr. Wolff. Bei aller Frische und Lebendigkeit ist hier nicht das Kleinste Zufall. Man merkt nichts von der Arbeit, die dahinter steckt. Zwei Wege führen dorthin.
Vom Warten und vom Wegräumen
Der erste: Geduld, bis man die beste Seite und das beste Licht hat. Der zweite: regie ist alles. Zeichnen heißt weglassen, - Fotografieren heißt wegräumen (oder wieder: warten. Der prominente Fotograf ist ein prominenter Wegräumer und ein Lamm an Geduld.
Regie ist alles
Und zur Regie - soweit sie sich auf Mitmenschen erstreckt - gehört eine leichte aber sichere Hand im Umgang mit Menschen. Fotografieren - das ist das wenigste dabei. Beweis: sonst müßten ja auch alle Die, die nur wissen, fotografieren.

7. Die Geheimnisse der Großen
Man soll ja nicht glauben, daß unsere vierfünf besten Kleinbild - Leute irgendwelche "Geheimnisse" hätten. Sie haben dreierlei: erstens Blick und eine erhebliche Fixigkeit, zweitens Materialkenntnis. Und drittens lediglich eine saubere Technik. Den Blick kann man nicht lernen, die Technik aber auf jeden Fall

8. Der bessere Weg
Wertvoller als alle "Schikanen" an der Kleinkamera ist ein zuverlässiger fotoelektrischer Belichtungsmesser. Er ist teuer, aber auf die Dauer immer noch billiger als unnütz verknipster Film.

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4 Albumblätter eines Pechvogels

Bild links: Kräftig verwackelt. Bild rechts: Allgemeine Unschärfe. Kamera - Auszug entweder bedeutend zu kurz oder bedeutend zu lang.Kommt insbesondere dann vor, wenn eine Nahaufnahme mit Unendlich-Einstellung gemacht wurde.

Bild links: Vordergrund vollkommen unscharf, da kamera auf Ferne (Unendlich) eingestellt. In diesem fall wäre "Naheinstellung auf Unendlich" richtig gewesen, da Schärfe in der Ferne und im Vordergrunde nötig war. (Siehe S. 15.) Bild rechts: Bewegungsunschärfe 1/25 Sekunde genügt meist nicht, wenn sich jemand quer zur Kamera bewegt. (Siehe Die Tabelle auf S. 238).

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9. Gegenlicht
Die wirkungsvollste Beleuchtung ist das Gegenlicht. Die nach vorn auf den Beschauer zulaufenden Schatten bewirken eine Plastik und eine Raumtiefe des Bildes, die bei keiner anderen Beleuchtung möglich ist. Das gleiche gilt auch noch für schräges Gegenlicht. Da die Sonne nicht ins Objektiv scheinen darf, ist für Gegenlichtaufnahmen eine Gegenlichtblende nötig.

B) Das Aufnahmematerial, die Aufnahme

Um der Mitteltöne willen
10. Der panchromatische Film ist das Material für die Kleinbild - Fotografie, da er auch alle rotgemischten, bräunlichen Töne genügend hell in Grautöne übersetzt. Kommen rötliche bräunliche Töne im Bilde vor, so ist das panchromatische Bild stets reicher an Mitteltönen, echter und wahrer als das orthochromatische. Und gerade dem Kleinnegativ müssen Mitteltöne erhalten bleiben, soll es bei der Vergrößerung nicht verlieren.

11. Schon die Filmwahl bestimmt die Qualität der Kleinbild - Vergrößerung. An sich ist die Höhe der DIN-Grade kein Wertmesser. Je höher die Empfindlichkeit, desto gröber das Korn.
DIN -Grade kein Wertmesser
Jedoch können wir heute bereits Filme von 9 - 21/10° DIN, die das Korn der früheren Filme von 16/10° DIN haben, die also normalen Vergrößerungsansprüchen vollkommen genügen (18/24 cm). Die Beziehungen zwischen Filmempfindlichkeit, Entwicklung und Korn werden auf S. 103 ausführlich an einem Schema gezeigt. Soweit man seine Bilder sehr stark vergrößern will, muß man wissen, daß feines Korn das A und O der Kleinbild -Fotografie ist.

12. Eine Empfindlichkeit von wenigsten 16/10° DIN ist ratsam. Mit Filmen von geringerer Empfindlichkeit zu arbeiten ist am allgemeinen nicht nötig, da war heute Entwickler haben, die das außerordentlich feine Korn der Filme von 10 und 13/10° DIN ohnedies erreichen (s.S.100). Auch Filme von 19-21/10°DIN geben - mit echten Feinkorn-Entwicklern behandelt - ein Silberkorn, das praktisch kornlose Vergrößerungen bis auf 18/24 und 24/30 cm gestattet.
Filmwahl
Einige der Filme von ca. 21/10° DIN sind allerdings ausgesprochene Kunstlicht-Filme (S.35, Typ III); d.h. sie sind für Rot besonders empfindlich und geben infolgendessen rötliche Töne unnatürlich hell wieder. Diese Filme verschwinden allmählich vom Markt.

Die Sensitierung (Empfindlichkeit für Farben) eines Films liegt in der Hand des Fabrikanten. Er kann sich plötzlich entschließen, seinen bisherigen "Typ" nach dieser oder jener Seite hin etwas abzuändern.
Die 3 Film - Typen
Charakteristische Vertreter gewisser Sensitierungstypen(s. die Darstellung auf S. 35) sind: Typ I sämtliche Isopan - Filme, Typ II Panatomic. Typ III wird selten gebraucht.
Von den zwei heute meistverarbeiteten Filmen Panatomic und "Substanz" in der Gradation (s. S. 124ff) charakterisiert, Isopan F durch eine sehr schöne (und seltene!) Grünempfindlichkeit (landschaften!). Das Korn ist in beiden Fällen annähernd gleichfein.

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13. Die hohe Schule der Kleinbild - Technik führt man mit der Serien - Aufnahme vor, der Reihen - Aufnahmen.
Serien - Aufnahmen!
Eine solche Serien kann den zeitlichen Ablauf einer Szene darstellen, sie kann in Bewegungs - oder Ausdrucksstudien eines einzelnen Menschen bestehen oder sie setzt sich aus einer Folge von Freilicht- Porträts zusammen, die einen Menschen - mitten aus der Bewegung heraus - von seinen fünf bis zwanzig Seiten zeigt. Es gibt beim Wochenende oder auf Reisen Szenen, die als Serieaufgenommen, die als Serie aufgenommen, wie ein kleiner Film abrollen. Es ist aber unmöglich, für die Serienaufnahme ein Rezept zu geben. Sie hat umso eher Aussichten, je günstiger die Voraussetzungen sind. Erste Voraussetzung ist allerbestes Licht, vor allem der kleinen Blenden wegen, die man in diesem Fall braucht (9 oder bei sehr nahen Objekten sogar 12). Man braucht also denkbar große Tiefenschärfe, damit das bewegte Objekt nicht aus dem Schärfenbezirk herausgerät. Dabei soll das Licht so gut sein, daß trotz der kleinen Blende Beleuchtungszeiten von 1/50° möglichst sogar von 1/100 Sekunden übrigbleiben. Mit erhöhter Filmempfindlichkeit (21/10° DIN) hat man in diesem fall natürlich höhere Aussichten. Aber die Serienaufnahme ist nur zum Teil eine fototechnische Angelegenheit. Was sie im höchsten Maße verlangt, ist: schnellste Auffassungsgabe und Talent im Umgang mit Menschen*).


14. Farbfilter? Höchst selten!
Die Wahl des richtigen farbfilters ist heute kein Problem mehr, und zwar einfach deshalb, weil man in der Mehrzahl aller Fälle auf das Farbfilter verzichten kann. Das hängt insbesondere damit zusammen, daß bei panchromatischen Filmen die Blauwiedergabe (z. B. Bei Wolkenhimmel) von Haus aus besser ist als bei orthochromatischen Filmen. Ausführliches über Farbfilter S. 39ff.


15. DIN -Scheiner - Umrechnung
Will man DIN-Grade in Scheinergrade (und umgekehrt) umrechnen, so ist das nur annähernd möglich. DIN in Scheiner: zum Zähler des DIN - Bruches (z.B. 16/10° DIN) werden stets 10 hinzugezählt. Das ergibt die vollen Scheinergrade, in diesem Fall 26° Scheiner. Scheiner in DIN: von der Scheiner - Zahl ( z. B. 26°Scheiner) wird 10 abgezogen. Das ergibt den Zähler des DIN - Bruches, in diesem fall 16/10° DIN. Will man ganz sicher gehen, so zieht man in beiden Fällen vom Resultat 2° Scheiner bzw. 2/10° DIN ab. Zwischen Scheiner - und DIN - Graden besteht lediglich der Unterschied, daß die (neuere) messung nach der DIN - Methode zuverlässiger ist, Scheinergrade sind veraltet.

16. Zusatz - Objektive
Wer sich irgend leisten kann, sollte sich zur Kleinkamera ein langbrennweitiges Zusatz - Objektiv (S. 161) zulegen, - er wird binnen kurzem die vergrößerte Darstellung und die ausgezeichnete perspektivische Wirkung (insbesondere bei Porträts, kleinen Vordergrund - Szenen) zu schätzen wissen, - soweit die Kamera für Zusatzobjektive gebaut ist.

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