Wie prüft man sein Objektiv?
Die einfachste und sicherste Prüfung ist die, daß man auf eine Tür mit Reißnägeln Zeitschriften aufheftet, das Objektiv einstellt und eine Aufnahme macht. Die Schärfe muß sich bei voller Öffnung gleichmäßig über das Negativ verteilen. Man kann bei dieser Gelegenheit auch feststellen, bei welchen Blenden ein Objektiv seine größte Schärfe hat (meist in der Gegend von 6,3 und 9).
Voraussetzung ist bei dieser Prüfungsmethode, daß die Einstellung mit einer Mattscheibe geschieht. Denn auch die Einstellskala kann ja ungenau sein. Ist das der Fall, so müssen weitere Versuchseinstellungen vorgenommen werden.
Ein Merkmal für die Schärfe eines Objektivs ist das Auflösungsvermögen, das es besitzt. Unter dieser (nicht sehr glücklich gewählten) Bezeichnung versteht man die Fähigkeit eines Objektivs, sehr feine parallele Linien, die dicht nebeneinander stehen, klar voneinander zu trennen, also nicht zum Grauton verschwimmen zu lassen. Je größer das Auflösungsvermögen, um so präziser und klarer erscheinen die Linien, um so schärfer zeichnet das Objektiv. Allerdings kann man derartige Versuche nur vergleichsweise zwischen mehreren Objektiven anstellen. Eine große Rolle spielt hierbei - ganz abgesehen vom Silber-Korn - die Dicke der Schicht, die Art der Entwicklung und die Dichte des Bromsilberniederschlags. Unter einheitlichen Bedingungen kann man aber die Schärfenzeichnung mehrerer Objektive auf diese Weise gut vergleichen. Wie schon oben gesagt, hat das Auflösungsvermögen jedes Objektivtyps bei einer mittleren Blende sein Maximum. Alle Prüfungen erfolgen selbstverständlich von fester Unterlage aus.
Insbesondere von Kleinbild-Objektiven wird das Äußerste an Konturenschärfe verlangt. Die Beschaffenheit der Kontur wird bei voller Öffnung nachgeprüft, indem man eine Druckschrift in der Weise aufnimmt, wie das die nebenstehende Abbildung zeigt. Aus der Versuchsanordnung ergibt sich gleichzeitig, ob der Einstellmechanismus in Ordnung ist, d. h. ob sich die maximale Schärfe in der eingestellten Entfernung befindet (scharf eingestellt war auf den Pfeil, der Einstellmechanismus war hier also nicht in Ordnung).

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Über die Beeinflussung der Schärfe durch die fotografische Schicht selbst siehe Tip 33 Seite 61.
Es gibt hervorragend scharfe Objektive, die aber auf Grund mehrerer freistehender Linsen bei Gegenlichtaufnahmen gern Spiegelungen auf das Negativ werden. Diese Objektive sind, auch mit Gegenlichtblende, etwas heikel. Wer viel Gegenlichtaufnahmen macht, sollte vor dem Kamerakauf einige Kontrollen nach dieser Richtung hin vornehmen. Im allgemeinen kommt dieser Mangel aber bei Objektiven bis zur Lichtstärke 3,5 selten vor, häufiger erst bei komplizierteren lichtstarken Objektiven.

Brennweite
Das Grundsätzliche wurde schon auf S. 18 und 19 gesagt. Die Brennweite eines Objektivs wird stets auf die Fassung graviert (unter der Bezeichnung F).
Es gibt kurze und lange Brennweiten. Wir werden sehen, was es damit auf sich hat. Zu diesem Zweck setzen wir ein Brennglas (also eine gewöhnliche Sammellinse) in Tätigkeit.

 
Die stark gewölbte Linse hat eine kurze Brennweite und das Abbild der Sonne ist klein.
 
Die weniger gewölbte Linse hat eine längere Brennweite und das Abbild der Sonne ist größer.
 

Kurze Brennweiten stellen also klein dar (deshalb sind sie die Normal-Objektive für Kleinkameras) und lange Brennweiten stellen größer dar (weshalb größere Kameraformate auch Objektive von längerer Brennweite haben müssen). Aber was ist "kurz", was ist "lang"? Man wird sich sofort sagen, daß die Kürze oder die Länge in direktem Zusammenhang mit dem Negativformat stehen muß, und so verhält es sich auch. für jedes Negativformat gibt es eine

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Mindestbrennweite

Die Mindestbrennweite für jedes Format läßt sich genau festlegen. Verlangt wird von ihr, daß sie bis in die Ecken des Formates scharf zeichnet. Man nimmt nämlich von der Zeichnung, die ein Objektiv liefert, das beste Stück heraus, das mittlere, das Bildfeld. Das Bildfeld ist ein Kreis. Innerhalb dieses Kreises liegt die scharfe Zeichnung, das übrige ist unbrauchbar. Und innerhalb dieses Kreises muß natürlich auch das Negativformat liegen·.

 

Das Bildfeld
Innerhalb des Bildfeldes (der brauchbaren Mittelschärfe) kann ein Negativformat von beliebigen Seitenverhältnissen liegen (denn hierbei bleibt der Kreisdurchmesser des Bildfeldes immer der gleiche).
Und nun kommt eine Tatsache, die wir einfach als Tatsache hinnehmen müssen: den Optikern und Mathematikern ist es gelungen, das scharfgezeichnete Bildfeld so weit auszudehnen, daß dazu schon eine Brennweite genügt, die so groß ist, wie der Durchmesser des Bildfeldes. Mit andern Worten gesagt: die Mindestbrennweite ist gleich der Negativdiagonale.

Diese Mindestbrennweite sitzt als Normalbrennweite in allen oder doch in den weitaus meisten unsrer Kameras.
Man kann von der normalen Brennweite abgehen. Man kann sie etwas länger halten, dann ist auch der Darstellungsmaßstab etwas größer. Man kann sie sogar relativ sehr lang halten (zum "Heranholen" ferner Objekte). Man kann sie auch kürzer als normal halten, nämlich bei den Spezial-Weitwinkel-Objektiven, die nach allen Seiten sehr viel erfassen (einen großen Bildwinkel haben), dafür aber natürlich einen kleineren Darstellungsmaßstab besitzen.


*· Nur Spezialobjektive, "Weitwinkel-Objektive", zeichnen ein relativ größeres Bildfeld aus.

 

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Über den Bildwinkel
Machen wir den Bildwinkel an einem Beispiel klar: jemand will auf einem Dorfplatz eine interessante Kirche aufnehmen, sagen wir mit einer Leica. Er steht so weit von einer Kirche ab, daß er mit dem normalen Kamera-Objektiv nur das Dach aufs Bild bekommt, nicht den Turm,

- sein Bildwinkel ist hierfür zu klein (er könnte natürlich weiter zurückgehen, nehmen wir aber an, er stieße dabei mit dem Hinterkopf an eine Mauer, dürfte also seinen Standpunkt nicht ändern). er greift in die Tasche und zieht ein Weitwinkel-Objektiv heraus und -

bekommt auch den Turm mit ins Bild. Alles ist jetzt maßstäblich kleiner, aber der große Bildwinkel erfaßt mehr nach allen Seiten·.
Es kann unserem Amateur auch geschen, daß er eine interessante Einzelheit gern recht groß darstellen möchte. Dann wechselt er wiederum sein Objektiv, er nimmt ein langbrennweitiges Spezialobjektiv. Damit bekommt er große Darstellung nnerhalb der kleinen Bildwinkel. Fassen wir diese Erkenntnisse zusammen.


*Als normal gilt ein Bildwinkel von 50 - 60°.

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Elmar 3,5 cm (Weitwinkel-Objektiv)
Elmar 5 cm (Normal-Objektiv)
Elmar 9 cm (langbrennweitiges Objektiv)

Drei verschiedene Brennweiten
und damit drei verschiedene Darstellungs-Maßstäbe. Die Kamera blieb stets am gleichen Standort.

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