VI. O P T I K  
 
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Allgemeines
Die Linsen-Fehler
Bläschen im Objekt
Wie prüft man sein Objektiv
Brennweite
Mindestbrennweite
Das Bildfeld
Über den Bildwinkel
Spezial-Objektive
Einige Formeln
Lichtstärke - relative Öffnung - wirksame Öffnung

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Ein komplizierter Fall
Der Lichtverlust im Objektiv
Wie rechnet man Blenden um?
Weshalb bewirkt die Blende Tiefenschärfe?
Weshalb ist der Tiefenschärfenraum jenseits der Einstell-Entfernung
größer als diesseits?
Warum größere Tiefenschärfe bei Ferneinstellung?
Warum haben kurzbrennweitige Objektive die größere Tiefenschärfe?
Was gilt als scharf, was als unscharf?
Vorsatz-Linsen und das Rechnen mit Vorsatz-Linsen
"Mikro"-Aufnahmen mit der 9/12-Kamera
Die Ermittelung einer unbekannten Brennweite

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O p t i k
Es soll niemandem zugemutet werden, sich intensiv mit der Wissenschaft vom Objektiv zu befassen. Für den Hausgebrauch kommt man schon mit verhältnismäßig geringen Kenntnissen aus. Es gibt aber auch unter den Foto-Amateuren neugierige Leute, die einer Sache unbedingt auf den Grund gehen müssen. In diesem Fall tut man das nicht nur um der Theorie willen, sondern weil auf diesem Grunde wirklich Perlen zu finden sind, Erkenntnisse, sie ihren unmittelwaren Wert für die Praxis haben·.
Jedes Objektiv, auch das komplizierteste, ist im Effekt eine Sammellinse im Sinne eines Leseglases oder Brennglases (was dasselbe ist). Zwischen einer einfachen Sammellinse und einem Objektiv bestehen keine Unterschiede der Art nach, sondern nur der Qualität nach. Schon hier kann man fragen: warum genügt nicht eine ganz einfache Sammellinse? Es gibt ungefähr 10 - 1- Gründe, weshalb und eine solche primitive Linse nicht genügt, sie sitzt voller Fehler und Unarten. Davon weiter unten.
Man kann sich eine Sammellinse durchaus als eine Kombination sehr vieler Prismen vorstellen. Die Zeichnung macht das deutlich.

 
Dann ist klar, daß eine Sammellinse alle auf sie fallenden Strahlen bündelt und in einem Punkt vereinigt, dem Brennpunkt. In diesem Punkt werden z. B. die Strahlen der Sonne gesammelt und im Brennpunkt sengen dann Stoffe wie Holz, Papier, Gardinen in fremden Wohnungen, Schaufenster usw. sehr leicht, - was wir ja alle aus der Jugend wissen. Auch mit einem fotografischen Objektiv kann man sich auf diese Weise z. B. eine Zigarette anzünden. Es gibt nicht nur Sammellinsen, es gibt auch Zerstreuungslinsen; sie sind sogar für die Konstruktion moderner Objektive sehr wichtig. Wie eine Zerstreuungslinse die auffallenden Strahlen beugt und zerstreut, sieht man an der Zeichnung (unten).

Linsen brauchen nicht unbedingt ihre "Urform" zu haben. Die neben der Urform (1 und 4) möglichen Formen sind folgende:


* Ein sehr empfehlenswertes Werkchen über die Theorie der Optik: Prof. H., Schulz "Licht durch Glas" Reinhardt-Verlag, Frankfurt.

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Links die Formen der Sammellinsen, der positiven Linsen. Nr. 1 konvex-konvex, Nr. 2 plan-konvex, Nr. 3 konkav-konvex. Nr. 3 wird von den Optikern als Meniskus bezeichnet. In diesem Falle ist es ein Plus-Meniskus. Menisken sind Brillengläser. Rechts die Formen der Zerstreuungslinsen. Nr. 4 konkav-konkav. Nr. 5 plankonkav. Nr. 6 konvex-konkav. Nr. 6 ist wieder ein Meniskus (übersetzt "Möndchen", ein Minus-Meniskus.

Mit Plus-Menisken kann man bereits zwei - wenn auch primitive - Objektive herstellen.

Ein Plus-Meniskus, die sogenannte Monokellinse. Die Kombination zweier Plus-Menisken, das Periskop.

Diese beiden primitiven Objektive sind lichtschwach (erst etwa als rel. Öffnung 1 : 11 zu brauchen), sie besitzen alle erdenklichen Fehler, vor allem den schlimmsten: Focusdifferenz (s. S. 155).

Frei von Focusdifferenz, aber immer noch lichtschwach und mit optischen Fehlern behaftet ist der Achromat (früher Landschaftslinse genannt). er besteht aus einer gewöhnlichen Sammellinse und einer Zerstreuungslinse. Neu ist an dieser Kombination, daß bereits zwei Linsen aus verschiedenem Glas, also auch mit verschiedener Brechkraft benutzt werden. Dadurch gelingt es, die Focusdifferenz aufzuheben. Achromatisch heißt "frei von Farbfehlern".
Eine Kombination zweier Archromaten ergibt den Aplanaten. An Fehlern besitzt er nur noch Bildfeldwölbung und Astigmatismus (S. 155) und Schärfe. Der Aplanat ist ein Doppelobjektiv dessen Glieder man einzeln verwenden kann (die Brennweite des Einzelgliedes ist dann die doppelte. Aplanatisch heißt "frei von sphärischer Abweichung" (s. S. 155).

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Nun das vornehmste, lichtstärkste und fehlerloseste aller archromatischen Objektive: der Anastigmat (in diesem Fall ein Tessar). Das Anastigmat verdankt seine hohe Lichtstärke (bei großer Schärfe) vor allem dem Fortfall des Astigmatismus (S. 155), der sonst nur durch Abblenden zu beseitigen ist.
Ein Doppel-Anastigmat (Meyer-Plasmat). Doppelt heißt hier nicht doppelt so gut, sondern: aus zwei Linsengruppen zusammengesetzt, die auch als Einzelobjektive (längerer Brennweite) verwendet werden können. Es gibt symmetrische Doppelanastigmaten, - dann haben beide Linsengruppen gleiche Brennweite. es gibt halbsymmetrische Doppelanastigmaten, - dann haben die beiden Linsengruppen verschiedene Brennweiten. Unsymmetrisch sind Anastigmaten wie (s. oben) das Tessar, - dann können die Linsengruppen einzeln nicht verwendet werden.

Anastigmaten können, je nach Konstruktion, aus drei bis acht Einzellinsen bestehen, die z. T. entweder freistehen oder miteinander verkittet sind (mit Kanadabalsam). Anastigmatisch heißt: ein rein punktförmiges (nicht verwischtes) Bild gebend.

 

Symmetrische oder halbsymmetrische Doppelanastigmaten haben natürlich nur in Kameras mit langem Auszug Zweck, man besitzt dann in einem Objekt mehrere Brennweiten (und damit auch mehrere Darstellungsmaßstäbe s. S. 161). Man nennt sie Satz-Objektive.
Der Vollständigkeit halber wollen wir auch noch den Apochromaten erwähnen, der ein Anstigmat von höchster Korrektur für alle Farben ist. er wird bei Mikroskopen und für die Teilaufnahmen (jeder Farbe) in der Dreifarbenfotografie benutzt. es ist sehr wohl möglich, daß man apochromatische Objektive eines Tages auch in der Kleinbildfotografie benutzen wird, insbesondere in Verbindung mit panchromatischen Filmen·. Dann ginge die All-Farbenempfindlichkeit des Films mit der des Objektivs vollkommen parallel. Näheres S. 155 unter Focusdifferenz (chromatische Abweichung).

Die Linsenfehler
Vorausgeschickt sei, daß unsere modernen Objektive (Anastigmaten) merkbare Linsenfehler kaum noch besitzen. Die Fehler, die man bei sehr primitiven Objektiven finden könnte, sind folgende:

B i l d f e l d w ö l b u n g : Das scharfe Bild, das eine Sammellinse entwirft, liegt nicht in einer Ebene (Mattscheibe), sondern es hat, etwa wie sie konkaver Meniskus, Schalenform. Folge: die Schärfe läßt außerhalb der Mitte nach. Abhilfe: blenden (Abschneiden der Randstrahlen).


*- und vor allem für Farbaufnahmen!

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S p h ä r i s c h e A b w e i c h u n g : Die Ränder einer Linse brechen den Lichtstrahl stärker als die Mitte. Daher wachsende Unschärfe nach den Bildrändern. Abhilfe: blenden.

Eine Folge der spährischen Abweichung ist die sog. Blendendifferenz. Es kann geschehen, daß ein Objektiv mit mittlerer Blende (6,3 - 9) schärfer zeichnet als mit sehr kleiner (18 - 25). Das kann auch bei modernen Objektiven vorkommen, insbesondere bei sehr lichtstarken Anastigmaten. Es erklärt sich damit, daß in diesen Fällen weite Randgebiete des Objektivs mit in die Korrektur einbezogen werden mußten, was wiederum auf Kosten der Korrektur der Mitte geht. Mit der Mitte aber arbeitet man bei sehr kleinen Blenden. Es ist im allgemeinen nicht günstig mit diesen sehr kleinen Blenden zu arbeiten.

A s t i g m a t i s m u s : Liegt ein Punkt außerhalb der Objektivachse (die vom Zentrum der Mattscheibe durch das Zentrum des Objektivs zu denken ist), so werden die von ihm ausgehenden Strahlen verschieden gebrochen, die lotrecht auf die Linse fallenden anders als die schief auffallenden. Daher schneiden sich diese Strahlen auch nicht mehr in einem Punkte, dem theoretischen Brennpunkte der Linse. Dieser sehr gefährliche Linsenfehler bewirkt rasch zunehmende Unschärfe von der Mitte aus, außerdem Verzerrungen. Abhilfe: blenden. Erst die Beseitigung des Astigmatismus erlaubte die Konstruktion lichtstarker Objektive (4,5 und lichtstärker). Im übrigen besagt aber der Name Anastigmat noch nichts über die sonstigen Qualitäten eines Objektivs, abgesehen davon, daß der verschiedene Ausfall von Glasschmelzen Schwankungen innerhalb des gleichen Objektivtyps im Gefolge haben kann. Der Name Anastigmat ist also noch keine Qualitätsbezeichnung. Entscheidend ist der Ruf des Herstellers.

K o m a : Hat ein Objektiv Koma, so erscheinen Punkte am Bildrande in kometenartiger Form. Die Folge ist Verschwommenheit an den Bildrändern. Kommt bei den Einzellinsen von Doppelanastigmaten vor. Abhilfe: blenden.

V e r z e i c h n u n g : An den Bildrändern werden gerade Linien nicht gerade , sondern gekrümmt wiedergegeben. Der Fehler wird nicht nur bei einfachen Objektiven ,sondern auch bei billigeren Tele-Objektiven gefunden , die dann z. B. für Architektur - Aufnahmen nicht zu verwenden sind : Abhilfe : keine .

F o c u s d i f f e r e n z (chromatische Abweichung): Eine Sammellinse ist ein prismatischer Glaskörper, sie bricht also Licht in der gleichen Weise wie ein Prisma, d. h . sie zerlegt den "weißen" Lichtstrahl in seine Komponenten, die Spektralfarben (S. 32). Violett wird am stärksten gebrochen, Rot am schwächsten (s. S. 156).

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Diese Erscheinung erkennt man an den farbigen Rändern jeder Kontur, wenn man mit einer Monokellinse (S. 153) einstellt. Nun ist unser Auge am empfindlichsten für Gelb-Grün, die fotografische Schicht aber für Blau-Violett. Wir stellen also mit einem für die Schicht unscharfen Anteil des weißen Lichtes ein. Das Ergebnis ist dann natürlich das, daß ein scharf eingestelltes Bild unscharf wird. Bei der Focusdifferenz differieren also das primäre (chemisch wirksame) und das sekundäre Spektrum. Der Brennpunkt des primären Spektrums (Violett-Blau) liegt der Linse näher, der des sekundären Spektrums (Grün, Gelb, Rot) ferner.
Man kann die Focusdifferenz durch nachträgliche Korrektur am Auszug aufheben. Formel: (Auszug x Auszug) durch (Brennweite mal 50)·. Einfacher ist aber folgendes Verfahren: man filtert mit einem (mindestens mittleren) Gelbfilter die unscharfen Blaustrahlen zum größten Teil aus der Aufnahme.
Focusdifferenz haben im übrigen nur die Monokellinse, und das Periskop (s. S. 153). Die chromatische Abweichung ist bis auf einen geringen Rest, der sich praktisch kaum auswirkt, bei allen unseren modernen Objektiven aufgehoben, sie sind "chromatisch korrigiert"
Focusdifferenz entsteht aber auch bei hochkorrigierten Objektiven, wenn man nicht mit den Strahlen fotografiert, auf die ein Objektiv normalerweise korrigiert ist (das primäre und einen Teil des sekundären Spektrums), sondern mit Strahlen von besonders kurzer oder besonders langer Welle. Besonders kurzweilig ist das stark ultraviolette Licht im Hochgebirge (vor allem im Winter und dann mittags). Man schneidet dieses Licht dann durch ein sogenanntes UV-Filter ab. Besonders langweilig ist das nicht sichtbare infrarote Licht (s. S. 216). In diesem Fall kann der Korrektionszustand nur durch Auszugsverlängerung wiederhergestellt werden (um 1/200 der Brennweite).

Bläschen im Objektiv
sind keine Fehler, sie sind sogar ein gültiger Beweis dafür, daß das Objektiv aus hochwertigen Jenaer Gläsern besteht. Für die optische Leistung des Objektives sind die Bläs'chen ohne Belang.


* alles in cm.

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