Tonrichtigkeit nicht erwünscht

Eine tonrichtige Aufnahme des inzwischen brauner gewordenen Mädchen von S.38 ergibt Tongleichheit (und damit Kontrastlosigkeit) der braunen Hauttöne und des blauen Himmels.   Ein nicht tonrichtiger panchromatischer Film (Typ II, evtl. auch III) stellt den Kopf heller gegen das Blau, da er rötliche Töne von Haus aus heller wiedergibt.

Ein extremes Beispiel: macht man eine Aufnahme von zwar verschiedenen aber in ihren Tonwerten gleichen Farben und ist diese Aufnahme tonrichtig, so ist das Ergebnis eine graue Fläche ohne jede Zeichnung. Aus diesem extremen Beispiel ziehen wir für die Praxis folgende Schlüsse.

1. Jede Übertragung von Farbwerten in Grauwerte ist eine Kompromißlösung der Farbe gegenüber. Hierbei ist die tonrichtige Übertragung nicht unter allen Umständen die dem Bildsinne am besten entsprechende.
2. Die Möglichkeit, daß Farbwerte, in Tonwerte übersetzt, untereinander zu wenig kontrastieren, hat sich durch den panchromatischen Film vervielfacht. Innerhalb besonderer Aufnahmegebiete kann dann ein durchaus nicht tonrichtig arbeitender Film die besseren bildrichtigen Ergebnisse im Gefolge haben.
3.

Damit sind vor etwas schwierigen Aufgaben stets viele (bildrichtige) Lösungen möglich. Erfahrung und Wissen haben dann eine dreifache Aufgabe zu lösen: erstens, inwieweit könnten Farbwerte in der Aufnahme zu wenig kontrastieren? Zweitens: wie verhält sich ein bestimmtes Material erfahrungsgemäß in diesem Fall (Art der Sensitierung)? Drittens: welche bildrichtige Korektur wäre u. U. durch Farbfilter möglich?

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4. Von hier an entzieht sich die Fotografie jeder mechanischen Ausübung. Hier sind die Grenzen des Experiments "Farbe - Schwarzweiß - Fotografie."
5. Es ist normalweise nicht erforderlich, daß für jedes spezielle Aufgaben - Gebiet ein besonders abgestimmter Film verwendet wird. Lediglich die Erfahrung kann (außer vorangegangenen Überlegungen im Sinne von S. 38 bis 41) den Film bestimmen, der den besten Aufnahme - Durchschnitt im Gefolge hat. Dann kann der gleiche Film in Fällen, die ihm seiner Sensitierung wegen nicht "liegen", durch Farbfilter (S: 39) umgestimmt werden.
6. Die scheinbar nicht gerechtfertigte Vielartigkeit der panchromatischen Sensitierungen erweist sich, da Tonrichtigkeit kein rezept sein kann, als ein zunächst verwirrendes, bei näherer Betrachtung aber sehr nützliches Geschenk.
7. Unter Tonrichtigkeit verstehen wir die Tonrichtigkeit bei Tageslicht. Daß auch diese Tonrichtigkeit nur ein Halt sein kann und nie ein stets gültiges Schema, ergibt sich schon daraus, daß wir selbst z.B. bei farbigen Licht, nämlich elektrischen, Farben in ihrer Hellgkeit anders empfinden als bei Tageslicht (Blau dunkler, Gelb weißlicher, Blaugrün und Rot heller). In gleicher Weise empfindet die panchromatische Schicht Farben bei elektrichem Licht anders als bei neutralem Tageslicht. Da erklärt sich (in beiden Fällen) daraus, daß das farbige Licht als zusätzlicher Faktor auftritt (farbige Abb. s. S. 200). Es muß dahingestellt bleiben, ob es berechtigt ist, grundsätzlich Kunstlicht - Aufnahmen so abzustimmen, daß dabei die Tageslicht - Tonrichtigkeit angestrebt wird. "Richtig" ist stets die bild - richtige Lösung.
8. Tageslicht ist nicht immer neutral "weiß", es pflegt mittags bläulicher, morgens und abends gelblicher zu sein (Extreme: die Blau-Ultraviolett-Strahlung im Hochgebirge, besonders mittags, einerseits und das farbige Licht des Abendrots anderseits). Wie wir schon beim elektrischen Licht gesehen haben, ändert sich mit der Farbe des Lichtes auch die Farbwiedergabe (die fotografischeTonwiedergabe). Bei bläulichem Licht drängt sich Blau vor ( die gelbfilter-Faktoren etwas länger), bei gelblich-rötlichem Licht drängt sich Gelb-Rot vor (die Gelbfilter-Faktoren werden kürzer). Diese Tatsachen treten weiterhin zu den unter PKT. 3 genannten hinzu. Sie bedürfen zum mindesten der Erwähnung, für den Fall, daß man gelegentlich vor Ergebnissen steht, die sich nicht mit denen decken, die für neutrales Tageslicht gelten. Weiteres hierüber s. Liste nächste Seite. Auch in diesen Fällen aber kann die nicht-tonrichtige Lösung u.U. zu dem Subjektiv besseren Ergebnis führen als die objektiv tonrichtige.

Hierzu siehe die farbigen Darstellungen auf S. 200

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Film - und Filter - Liste

  Tonrichtige FarbfilterTageslicht Kunstlicht (Nitra) Korrektur der Farbwiedergabe für besondere Zwecke. Tageslicht
Ortho-Schichten (rotblind) Gelbfilter (meist helles). Dämpft Blau, hellt Gelb und Grün auf. Das orangefarbene Nitralicht pflegt von sich aus die Wirkung eines Gelbfilters zu haben. Kräftiges Gelbfilter (II,III) hellt grün stark auf, kräftigt zartblauen Himmel, betont die blaue Ferne (Gebirge)stark, nimmt die "Luftperspektive":
Typ I
Ortho-panchromatisch
Helles Gelbfilter, Dämpft Blau, hellt Gelb und Grün auf, Praktisch gleiche Wirkung mit gelb-grünem P.-O.-Filter(I).Jedoch nur sehr selten Filter erforderlich. Kein Filter, da Filterwirkung des Nitralichtes genügend (das orangefarbene Licht dämpft Blau und betont Gelb-Rot s.S.200). Helles Gelbfilter zur helleren Darstellung sehr brauner Haut. Ferner zur helleren Darstellung von Grüntönen (Laub, Wiesen, viel Schwarz enthaltend). Orangefilter: wie Typ II, jedoch mit geringerer Wirkung. UV wie Typ II.
Typ II
panchromatisch
Neutralgrünes Filter. Dämpft den (geringen) Rot- und Blau- Überschuß, hellt Grün auf. Auch gelbgrünes P.-O-Filter (dämpft im wesentlichen Blau). Beide selten erforderlich. Das orangefarbene Licht dämpft Blau , betont jedoch die Gelb-Rot-Empfindlichkeit. Wird deshalb "Bleichung" von Hauttönen beobachtet: Blaufilter. Orangefilter bei Fernaufnahmen (Gebirge usw.) zur "Entschleierung" der dunstige Ferne. UV-(Ultraviolett) Filter im Hochgebirge ab 1500m, (nur bei Sonne), da sonst leicht Unschärfen infolge Foeusdifferenz (s.S.156).
Typ III
Hochempf. Panchromatischer Kunstlichtfilm mit hoher Rotempfindlichkeit.
Helles blaugrünes Filter, Dämpft Rotüberschuß, hebt somit Bleichung von hauttönen auf. Das orangefarbene Licht dämpft Blau, hebt jedoch die Rotempfindlichkeit noch weiter (s. S. 199). Meist genügt (für Haut töne) Blaufilter. Wenn nicht: mittleres blaugrünes Filter. Orangefilter wie Typ II, jedoch mit stärkerer Wirkung, da Typ III höher für Rot-Orange empfindlich. UV-Filter wie bei Typ II.

Anmerkung: Auch Tageslicht kann gefärbt sein. Im Tageslicht kann sowohl kurzwelliges Licht (Blau, Violett, sogar Ultraviolett) vorwiegen, insbesondere im Hochgebirge um die Mittagsstunden, ferner bei Schnee und Sonne. Dadurch verlängern sich die Faktoren für die Mehrbelichtung mit Farbfiltern (zur Blaudämpfung) um ca. die Hälfte. Es kann jedoch auch (sowohl abends wie morgens) langweiliges Licht (gelb-rötlich) vorwiegen. Die Farbwiedergabe kann man dann im allgemeinen mit der bei elektrischem Licht (Nitra) gleichsetzen. In diesem Fall sind die Angaben über Filter der Spalte "Kunstlicht" zu entnehmen.

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Eine völlig tonrichtige Fehlaufnahme
Beispiel dafür, daß volle Tonrichtigkeit u. U. zu Fehlaufnahmen führen kann. Der tonrichtige Himmel bildet zusammen mit dem ebenfalls tonrichtige Hautton ein kontrastloses Ineinander. In diesem Fall wäre ein etwas stärker rotempfindlicher Film (Typ II, S. 35) besser gewesen, er hätte den Kopf um eine Nuance heller gegen den Himmel gestellt. Oder aber man hätte dem hier verwendeten Film (Typ I, S.35) ein helles Gelbfilter vorschalten müssen. Dadurch wäre das Rotbraun der Haut etwas heller gekommen (s. S. 43) das Blau wäre noch etwas zurückgehalten worden und dunkler gekommen. Die bessere Lösung wäre jedoch ein Film vom Typ II gewesen.
Auch auf dem Bilde von S. 118 sehen wir eine gewisse Tongleichheit von Objekt und Hintergrund - wiewohl noch innerhalb erlaubter Grenzen -, die beweist, daß gerade die allerbeste Farbübertragung gelegentlich nicht die beste Lösung darstellt.

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Die 40 Aufnahme - Tips für die Kleinbild - Fotografie

Mit Dunkelkammerzelt und einem Chemikalienkoffer zog der Fotograf von anno dazumal aus. Jede seiner Platten (damals waren es nasse Platten!) mußte er unmittelbar vor der Aufnahme präparieren. So haben sich die Zeiten geändert. - Das Bild entstammt der Sammlung Stenger. Über die Geschichte der Fotografie siehe Seite 245.

A) Vom Umgang mit der Kleinkamera

1. Die meisten unserer Tips werden auch die größeren Kamera-Formate angehen. Das eigentliche Kleinbildformat wollen wir bis zum Negativformat 6x6 cm rechnen.
So beweglich wie die Kleinkamera muß auch der Kleinbild-Amateur sein. Die Kleinkamera, in geschickten Händen, ist wie das Präzisionsgewehr in den Händen eines Scharfschützen.

 

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