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Digital oder analog fotografieren?

12/2004 - 4/2007 © Thomas Gade

Seite: 1 Der Abschied vom Film
  2 Paradigmenwechsel in der Fototechnik
  3 Fotografie auf Film - zukünftiger Stellenwert
  4 Konventionelles Fotolabor versus digitale Technik
  5 Digitale Praxis - Unruhe und wenig Entspannung

Konventionelles Fotolabor versus digitale Technik

Als Schüler erhielt ich einen einfachen Vergrößerer nebst Filmentwicklungszubehör und durfte in der Abstellkammer ein Fotolabor einrichten. Seitdem war für mich mehr als 20 Jahre lang das Vorhandensein einer stets funktionsbereiten Dunkelkammer selbstverständlich. In jeder Wohnung fand sich ein Platz dafür. Während des Studiums jobbte ich nebenbei in zwei Bilderagenturen und lernte die professionelle Laborarbeit kennen. Meine Qualitätsansprüche haben sich in dieser Zeit erheblich gesteigert. Zudem besserte ich mein studentisches Budget mit dem An- und Verkauf von Fotolabortechnik und Verbrauchsmaterialien auf. Dadurch konnte ich hinsichtlich Ausstattung und Material immer aus dem Vollen schöpfen.

Das Aufkommen der Digitaltechnik führte in meinem fotografischen Bekanntenkreis zu heftigen Diskussionen. Sie war höchst irritierend, da althergebrachte Arbeitsweisen in Frage gestellt wurden. Die Möglichkeiten waren bis Ende der 1990'er Jahre eher theoretischer Art, da die Technik sehr teuer war. Es gab viele Fragen. Wie werden zahlreiche Dateien dauerhaft gespeichert? Wie scannt man Filme? Wie werden Bilddateien bearbeitet? Das Hauptproblem sah man in der Qualität der Drucke. Konnten sie so gut wie hochwertige Barytpapierabzüge sein? Und wie sollte man sie herstellen?

Im Jahre 2001 organisierte eine Gruppe von Künstlern eine Gemeinschaftsaustellung in Berlin. Eine Freundin, Silva Wittfeld, verfügte über schöne Räumlichkeiten und wir zogen los, um Tänzerinnen bei ihren Proben und auf der Bühne zu fotografieren. Es reizte uns, den Versuch zu wagen, die Filme zu digitalisieren und printen zu lassen. Eine Drogeriekette sponsorte uns 45 'Vergrößerungen' im Format 50x70cm. Mit einem 2700 dpi Filmscanner von Polaroid wurden die Schwarzweiß- und Farbnegative gescannt. Die Bearbeitung erfolgte mit Photoshop 4. Es war eine interessante Erfahrung mit der selektiven Farbkorrektur zu arbeiten, um bei den bunten Bühnenaufnahmen seltsame Magentaeffekte zu beseitigten oder ein tiefes Blau in den Schatten zu löschen, wodurch eine Zeichnung sichtbar wurde. Das war im konventionellen Fotolabor, wenn überhaupt, nur mit einem enormen Aufwand realisierbar. Nach einem Hin und Her über Dateiformate und dpi mit dem Labor schickten wir die Daten weg.



Eine Woche vor Beginn der Ausstellung kamen die heißersehnten Ausbelichtungen zurück. Wir waren darauf eingestellt, das Printen der Colorfilme im Falles des Misslingens erneut auf konventionelle Weise in Auftrag zu geben und die SW-Negative in meinem Labor zu vergrößern, da wir keine Vorstellung von der zu erwartenden Bildqualität hatten. Mit großer Skepsis erwarteten wir die Ergebnisse. Unsere Sorge erwies sich als unnötig. Die Bilder waren ausgezeichnet und niemand hätte sie in der Dunkelkammer besser hinbekommen können. Die Ausstellung wurde von einigen Dunkelkammerspezialisten besucht, die nicht glauben wollten, dass 2700 dpi Scans vom 35mm Film derartige Abzüge ermöglichten. Der reguläre Preis für einen digitalen 50x70 Print betrug damals 12 DM (6 €).




Die nachstehende Aufnahme entstand während einer Flamencovorführung im Salsa. Das war eine bekannte Berliner Salsa- und Latinokaschemme. Das Bild wurde mit einer relativ langen Belichtung und einem Aufhellblitz fotografiert.


1993. Berlin. Celia tanzt Flamenco im Salsa.

In der Detailvergrößerung sieht man einen Geisterschatten um die Nase, der bei dieser Aufnahmetechnik kaum zu vermeiden ist. Daran läßt sich im konventionellen Fotolabor kaum etwas machen. Zwar können geschickte Retuscheure die Vergrößerungen bearbeiten. Doch ist das kompliziert und wird sichtbare Spuren auf der Oberfläche des Fotos hinterlassen.

Mit Photoshop 4 war das Korrigieren der Datei eine Kleinigkeit. Das wichtigste Werkzeug dazu war der Stempel, mit dem störende Defekte beseitigt wurden. Die hier gezeigten Bilder sind zur Illustration dieses Beitrags stark heruntergerechnet worden. Die Originaldatei ist scharf und detailreicher.


Detail aus einer konventionellen Vergrößerung


Digital bearbeitet. Man beachte den
korrigierten Rand der Nase.

Ich habe das Negativ mit einem hochwertigen Durstvergrößerer und einem guten Rodenstock Rodagon Objektiv auf 50x60cm messendes Barytpapier vergrößert und mit dem Digitalprint verglichen. Die Bildqualität beider Abzüge war ebenbürtig, wenn man die Verbesserungen der Bildbearbeitung am Digitalprint außer acht läßt.

Die digitalen Schwarzweissabzüge hatten eine leichten bläulichen Farbton. Man nennt ihn 'Kaltton' im Gegensatz zu den bräunlichen 'Warmtonbildern'. Wer den Ton beeinflussen möchte, sollte mit dem Fachlabor über die Art der Dateivorbereitung oder die entsprechenden Angaben auf den Auftragstüten Rücksprache halten.

Diese Erfahrung bewegte mich zum Abbau meines Fotolabors. Damit verschwand eine Tätigkeit, die ich stets als entspannend und kreativ empfunden habe, aus meinem Alltag. Es war kein leichter Schritt, aber die digitalen Realitäten und Perspektiven sprachen eine eindeutige Sprache. Zudem empfand ich das Vorhandensein von Fotochemikalien aller Art in meinem Haushalt schon längere Zeit als beunruhigend. Es gab reichlich Chemie zum Entwickeln, Fixieren, Tonen, Abschwächen, zur Farbentwickung und Reinigung von Tanks. Vieles davon war giftig. Das bestätigte mir die Stadtreinigung mit einer schmerzlichen Rechnung bei der Entsorgung .

Mittlerweile haben die digitalen Komponenten einen hohen Reifegrad erreicht. Ein Ende der Entwicklung ist aber nicht in Sicht. Die Tintenstrahl-Drucktechnik ist sehr gut und günstig geworden. Das Anfertigen von Kontakten der archivierten Filme ist mit Digitalkameras ein Kinderspiel. Die hochauflösenden Spiegelreflexkameras verdrängen das langwierige Scannen der alten Dia und Filmbestände durch simples Reproduzieren mit Makrooptiken. Wohl denen, die ihre Diadupliaktoren von Elinchrom, Bowens oder Multiblitz nicht entsorgt haben.

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