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Canon RF 800mm F11 IS STM Teleobjektiv

Test, Review, Erfahrungsbericht

2021 © Thomas Gade

Erschwingliches Super-Teleobjektiv mit langer Brennweite



Im Juli 2020 stellte Canon zwei außergewöhnliche Teleobjektive vor, nämlich das RF 600 mm F 11 IS STM und RF 800 mm F 11 IS STM. Ihre Blenden sind fest auf den Wert 11 eingestellt und lassen sich nicht weiter schließen. Die Teleobjektive sind relativ preiswert für derartig lange Brennweiten von einem Premium-Hersteller. Das 600 mm Tele kostet ca. 700 €, während die 800 mm Version mit etwas über 1000 € zu Buche schlägt.

Ihre geringen Lichtstärken und verhältnismäßig niedrigen Preise wecken allerdings Zweifel. Kann der Autofokus mit Blende 11 noch funktionieren? Was leisten sie optisch?


Canon EOS R5 am zusammengeschobenen RF 800mm F11 IS STM


Das RF 800mm F11 IS STM betriebsbereit im auseinandergezogenen Zustand

Für ein kompaktes Packmaß sorgt ein teleskopbierbarer Tubus. Vor Gebrauch wird er ein Stück auseinandergezogen. Das 800 mm Tele verlängert sich dabei um etwa 7,5 cm.

Im Mai 2021 hatte ich Gelegenheit, das 800 mm Tele an der Canon EOS R5 zu testen. Im Paket mit den Leihgeräten lag sogar der RF 2x Extender, um die Brennweite auf 1600 mm zu verdoppeln, wobei sich die Blende auf den Wert 22 reduzierte. Sollte der Autofokus damit auch noch funktionieren? Wie stark beeinträchtigten Beugungseffekte die Abbildungsqualität bei der kleinen Blende?

Lange Brennweiten verlangen trotz Bildstabilisierung in der freihändigen Nutzung sehr kurze Belichtungszeiten. Diese sind häufig auch eine wichtige Voraussetzung für gute Sport- und Naturaufnahmen, weil die Motive sich rasch bewegen. Ausgehend von Blende 11 setzt das gute High-ISO Fähigkeiten voraus. Bei mittleren vierstelligen ISO-Werten müssen Kameras mit dieser Optik noch eine gute Bildqualität liefern. Auf die High-ISO Fähigkeiten möchte ich in diesem Artikel nicht näher eingehen, nur soviel sei verraten: Mit der Entrauschen-Funktion Deep Prime im RAW-Konverter DxO PhotoLab (ab. Version 4) und DxO Pure Raw kann man mit Canon R Kameras locker noch ISO 6400 nutzen, notfalls auch mehr.

Technische Daten

Hersteller Canon
Bezeichnung Canon RF 800mm F11 IS STM
Markteinführung 2021
Preis 1050 € (Mai 2021)
Zubehör Lens Hood ET-73 (Sonnenblende), Deckel
Brennweite 800 mm
Bildstabilisierung Ja
Blende Feste Blende 11
Naheinstellgrenze 6 Meter
Gewicht 1,26 kg
Länge 29 cm mit Frontdeckel
36 cm ausgezogen

Die Länge verändert sich durch Innenfokussierung nicht.
Filterdurchmesser 95 mm
Format Vollformat

Stativanschluss



Das Teleobjektiv hat einen Stativanschluss, aber keine Stativschelle, in der es rotiert werden kann, um vom Hoch- vom Querformat zu wechseln.

Bildstabilisierung

Das 800 mm Teleobjektiv enthält eine Bildstabilisierung, die optional eingeschaltet werden kann. Sie verbessert die Trefferquote bei freihändiger Fotografie mit der langen Brennweite erheblich. Zwar hat ein Stativ Vorteile, es behindert aber die Mobilität und auf einer Exkursion auch die Reaktionsgeschwindigkeit.

Autofokus

Der Autofokus ist beim 800 mm Teleobjektiv an der Canon EOS R5 leise, flott und treffsicher. Die Kombination verleiht durch ihr geringes Gewicht, zuverlässigem Autofokus sowie der effektiven Bildstabilisierung zum Fotografieren aus freier Hand.


Mai 2021. Fliegender Kormoran über der Havel. Freihändig vom leicht schankenden Boot mit 800 mm Brennweite fotografiert. Canon R5, ISO 5000, 1/8000 Sekunde.

800 mm Brennweite mit so guter Bildstabilisierung und effektivem Autofokus für ca. 1050 € anzubieten, ist eine sehr gute Leistung. Allerdings müssen die Gehäuse hinter der Optik mitspielen. Die verwendete Canon R5 ist mit 4500 € für viele Fotoamateure wohl zu teuer. Zumindest fotografisch und an ihrem 45 MP Vollformatsensor sind Telekonverter überflüssig. Betrachten wir sie trotzdem.

Technische Daten

Hersteller Canon
Bezeichnung Canon Extender RF 1.4x
Maße 71,2 x 20,3 mm
Preis 550 € (Mai 2021)
Staub-/Feuchtigkeitsschutz  ja
Gewicht 225 g
   
Bezeichnung Canon Extender RF 2x
Maße 71,2 x 39,3 mm
Preis 700 €
Staub-/Feuchtigkeitsschutz  ja
Gewicht 340 g

Canon RF 1.4x und RF 2x Extender

Canon hat zwei RF Telekonverter, nämlich die Extender RF 1.4x und RF 2x. Sind sie mit den lichtschwachen Superteles kompatibel?


Canon RF Extender 2x Telekonverter. Solide gebaut


Canon EOS R5 mit RF Extender 2x und RF 800mm F11 IS STM

Der Versuch erfolgt mit dem Canon RF 800mm F11 Teleobjektiv und dem RF 2x Extender.

Ergebnis:  Der Autofokus funktioniert sogar noch mit Blende 22. Und auch die Bildstabilisierung kann mithalten. Allerdings lohnt sich der Aufwand beim hochauflösenden 45 MP Sensor nicht, wie folgender Vergleich zeigt.


Links: Canon R5 mit RF 800mm F11
Rechts: Canon R5 mit RF 800mm F11 mit RF Extender 2x



Ausschnitte. Links: Canon R5 mit RF 800mm F11
Rechts: Canon R5 mit RF 800mm F11 mit RF Extender 2x

Für diesen Vergleich wurde das Foto ohne 2x Extender auf die vierfache Pixelmenge interpoliert, um die gleichgroße Abbildung desselben Bildausschnitts zu ermöglichen. Beide RAW-Dateien sind mit denselben Einstellungen mit DxO PhotoLab 4.2 konvertiert worden. Das Foto ohne Telekonverter ist trotz Interpolation schärfer und detailreicher.

Fotografisch ist der RF Extender 2x an dem RF 800mm F11 Tele und am hochauflösenden 45 MP Sensor eher schädlich.

Aber vielleicht können Filmemacher etwas damit anfangen. Dazu braucht man jedoch ein extrem verwacklungsfreies Stativ mit einem entsprechend groß dimensionierten Kopf, um die lange Brennweite zu beherrschen.

Ergebnisse

Ich habe ein etwa 6,2 m langes Motorboot und sehe bei meinen Fahrten auf den Berliner Gewässern häufig interessante Motive, die allerdings nur mit langen Brennweiten gut zu fotografieren sind. Problematisch ist dabei jedoch, dass mein Boot nie ruhig auf dem Wasser liegt, sondern immer durch Wellen etwas schaukelt. Deshalb kann man darauf auch kein Stativ benutzen und es macht auch keinen Sinn, sich an Aufbauten anzulehnen, weil sie ja ebenfalls ständig in Bewegung sind. Man muss durch eigene Körperbewegungen das Schwanken des Bodens ausgleichen. Das gelingt nur teilweise. Das Canon RF 800mm F11 Teleobjektiv enthält jedoch eine Bildstabilisierung, die Abhilfe verspricht.


Teleobjektiv RF 800 mm F11 auf einem Boot

Es interessierte mich, ob die Bildstabilisierung des Objektivs gut genug war, um die freihändige Nutzung unter solchen Umständen noch zu ermöglichen. An der Canon EOS R5 klappte das besser als erwartet. Problematischer war eher der Autofokus, wenn ein Motiv, beispielsweise ein schneller Jetski sich vor dem Hintergrund voller Details bewegte, wie ein Schilfgürtel und Bäume am Ufer. Der Autofokus stellt dann häufiger auf den Hintergrund scharf als auf das eigentlich gemeinte Motiv. Wenn jedoch ein Reiher dicht oberhalb der Wasseroberfläche flog, ließ sich der Autofokus weniger beirren und erbrachte eine erstaunlich hohe Trefferquote.

Möglichst kurze Belichtungszeiten wählen, keine Angst vor hohen ISO-Werten!

Bei den Testaufnahmen während der ersten Fahrt hatte ich leider nur ISO 800 eingestellt. Besser wäre ISO 3200 gewesen, um kürzere Belichtungszeiten zu realisieren. Die Canon EOS R5 liefert sogar mit ISO 6400 noch exzellente Bilder.


Kormoran auf einem Ast in der Havel. Freihändig von einem Boot fotografiert. ISO 800, 1/1000 Sekunde.


Ausschnitt aus dem Foto. Das Foto könnte mit einer kürzeren Belichtungszeit schärfer sein.


Zwei Kajakfahrer auf dem Tegeler See. Vom eigenen Boot freihändig fotografiert. ISO 800, 1/2000 Sekunde


Ausschnitt aus dem Foto


Freihändig auf einem festen Steg fotografiert. ISO 3200, 1/8000 Sekunde


Ausschnitt. Die Canon EOS R5 liefert mit ISO 3200 immer noch eine beeindruckende Bildqualität. Die hohe Pixelanzahl (45 MP auf Vollformatssensor) bietet reichlich Potenzial zur Herausvergrößern von kleinen Bildteilen. Die hohe optische Qualität des RF 800mm Teleobjektivs liefert die nötigen Bildinformationen.


Hubschrauber. ISO 3200, 1/5000 Sekunde


Graureiher / Fischreiher. ISO 3200, 1/6400 Sekunde

Farbsäume und Vignettierung?



Canon R5, ISO 3200, 1/8000 Sekunde

Ausschnitte aus dem Bild


RAW Datei konvertiert mit ACDSee Ultimate 2021 ohne Objektivkorrektur


RAW Datei konvertiert mit DxO PhotoLab 4 mit Deep Prime Rauschreduzierung und Objektivkorrektur

Das Motiv wurde bewusst gewählt, weil dunkle Kanten vor einem Himmelshintergrund chromatische Probleme am besten zeigten. Durch das Flimmern der Luft konnte die Abbildung nicht ganz scharf sein. Aber die Sichtbedingungen waren gut genug, um die minimale Unschärfe erst beim Betrachten von kleinen Ausschnitten sichtbar zu machen.

Die RAW-Datei wurde auf zwei unterschiedliche Weisen entwickelt:
1. ACDsee Photo Studio 2021 ohne Objektivkorrektur und ohne Entrauschen
2. DxO PhotoLab 4 mit automatischer Objektivkorrektur und Deep Prime zum Entrauschen

Die Ausschnitte zeigen eine kleinen Bildbereich am oberen Rand auf der linken Seite. Dort sind ohne Objektivkorrektur schwache Farbsäume erkennbar, die jedoch mit Objektivkorrektur vollständig verschwinden. Sie minimiert übrigens auch Vignettierung (dunklere Ecken).

Point and shoot

Mit diesem leichten Super-Teleobjektiv, vierstelliger ISO-Einstellung und kurzen Belichtungszeiten stellt sich in motivreichen Situationen ein Point-and-Shoot-Feeling ein. Fliegt ein Vogel vorbei, muss man schnell reagieren, ihn trotz der langen Brennweite in den Sucher bekommen, mitziehen und abdrücken. Je besser man das kann, desto größer ist die Ausbeute an gelungen Fotos. Der Begriff 'Trefferquote' macht in diesem Zusammenhang wirklich Sinn. Um das große Potenzial moderner Systemkameras mit extremen Telebrennweiten zu nutzen, bedarf er bei den Nutzern einer hohen Reaktionsgeschwindigkeit, wie beim Gaming am Computer, aber zusätzlich auch der nötigen körperlichen Geschicklichkeit. Die leichten RF Teles von Canon mit 600 und 800 mm Brennweite sind perfekt für diesen Sport geeignet.


Canon EOS R5 mit RF 800mm F11 IS STM. Graureiher im Flug erwischt

Fazit

Canon hat die Meßlatte für Entry-Level Mega-Teleobjektive weit nach oben verschoben. So kompakt, leicht, preiswert und leistungsstark war das Fotografieren mit langen Brennweiten am Vollformatsensor bislang nicht vorstellbar.

Auf dieser Website beschreibe ich mehrfach die Nutzung von sehr guten Linsenteleskopen aus der Astronomie als Teleobjektive oder das Fotografieren mithilfe von Spektiven (Digiscoping). Wer eine hochwertige spiegellose EOS R Kamera hat, kann sich mindestens in der Naturfotografie solche Techniken ersparen. Sie machen bei dem verhältnismäßig geringen Preis für ein gutes 800 mm Teleobjektiv wenig Sinn.

Ich habe die 600 mm Version nicht getestet, las allerdings im Internet, dass sie genauso funktioniert und einen kleinen Tick schärfer abbildet als das RF 800mm F11. An dem hochauflösenden Sensor der Canon EOS R5 wäre in der freihändigen Fotografie wahrscheinlich die 600 mm Version vorteilhafter, weil mit ihrem größeren Blickwinkel Motive, wie fliegende Vögel am Himmel, schneller gefunden werden als mit der stärkeren Vergrößerung der 800 mm Brennweite. Die 45 Million Pixel der Canon EOS R5 bieten genug Potenzial für kräftige Bildbeschnitte, um die kürzere Brennweite zu kompensieren.

Bei meinen Tests habe ich absichtlich auf freihändiges Fotografieren gesetzt und fast immer auf ein Stativ verzichtet, um festzustellen, ob das in der Praxis funktionierte und gute Ergebnisse lieferte. Mit vierstelligen ISO-Werten war es kein Problem. Besonders beeindruckend fand ich, dass es sogar auf meinem stets schwankenden Boot mit einer respektablen Trefferquote klappte. Auf das mühsame Mitschleppen eine Stativs kann man tatsächlich meistens verzichten.

Möglich wurde dies u.a. erst durch die besseren High-ISO Fähigkeiten moderner Kameras, die ultrakurze Belichtungszeiten ermöglichen sowie auch durch erheblich lichtempfindlichere Autofokussysteme, die sogar noch mit Blende 22 funktionieren.


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